Interview zu „…und auf Erden Stille“

Dieses Interview zur ersten Staffel wurde im April 2021 für das Magazin „Moviecon“ geführt.

Bitte stellen Sie sich und Ihre bisherigen Arbeiten und UND AUF ERDEN STILLE kurz vor.

INTERPLANAR Produktion, das sind zwei Cousins, Jochim Redeker und ich. Wir produzieren seit 2006 Hörspielserien: »Mark Brandis«, »Mark Brandis, Raumkadett«, »Heliosphere 2265«, und jetzt eben »Und auf Erden Stille«. Bei dieser Serie geht es um das Abenteuer der 16-jährigen Rhiannon, die in einer postapokalyptischen Welt nach ihrem Vater sucht, der an der »Großen Katastrophe« mitschuldig sein soll.

Mit UND AUF ERDEN STILLE haben Sie erstmals einen eigenen Stoff als Hörspiel geschrieben. Wie und warum kamen Sie auf die Idee ausgerechnet ein Endzeit-Thema zu wählen? Auch im Hinblick auf die weltweite Pandemie.

Die Pandemie im Hörspiel war vor der in unserer Welt da! Zum Glück kann ich es belegen: die Idee zur Serie war im Dezember 2019 schon so weit ausformuliert, dass wir einen Vertrag mit dem Label Folgenreich (Universal Music) unterschreiben konnten. Als ich dann acht Wochen später mitten im Schreiben der Hörspielbücher draußen vor dem Fenster sehen konnte, wie eine Gesellschaft auf eine tatsächliche Pandemie reagiert, war das schon gruselig. Diese Geschichte eines oder mehrerer Viren, die — vom Menschen gemacht — sich gegen ihn wenden, spukte mir schon lange im Kopf herum. Zwei Dinge in unserer Zivilisation können sehr schnell fatal zusammenwirken: unser ungebremstes Ausplündern der planetaren Ressourcen und die Dichte, in der Menschen beieinander in großstädtischen Strukturen leben. Beides macht uns empfindlicher für diese Art Katastrophe. Im kommerziellen Hörspiel habe ich dieses Thema aber bisher nur im Zusammenhang mit Zombie-Stories gesehen. Und als ich das Buch »Die Welt ohne uns« in die Hände bekam, konnte ich aus wissenschaftlichen Forschungen Inspiration ziehen: wie sieht denn eine Welt nach 10 Jahren aus, wenn kein Mensch sich mehr um sie kümmert?

Wie gestaltete sich die Arbeit an diesem Hörspiel – von der Idee bis zum Script? Und anschließend zum fertigen Hörspiel? Gab es Schwierigkeiten oder besondere Erlebnisse während der Produktion?

Ich haderte lange mit mir, ob die Geschichte eine Erzählerinstanz bekommen soll. Ich habe mich dann für eine »Lösung dazwischen« entschieden, für eine »Stimme aus der Zukunft«, und ich bin mit Vera Teltz‘ Leistung im fertigen Hörspiel sehr zufrieden. Ich hatte mir vorgenommen, eine Episode pro Woche zu schreiben. Das hat auch fast genau so geklappt. Da standen dann aber schon die Struktur, das Ende der Story und der Rhythmus, wie oft wir in unsere Gegenwart wechseln, um schrittweise mehr zu erfahren, wie es dazu kommen konnte. Es folgt immer eine Gegenwartsepisode auf zwei Zukunftsepisoden:

GegenwartZukunft
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Eine fiktionale Apokalypse zu schreiben, während sich in der wirklichen Welt eine ausbreitet, war natürlich besonders intensiv. Während des Schreibens habe ich meine Hauptfigur nochmal besser kennen gelernt, und deswegen sind mir gerade die Momente, in denen Rhiannon sich am Ende ihrer Weisheit sieht, auch besonders lieb.

Direkt nach dem Schreiben kamen dann die Sprachaufnahmen im Studio. Hier war ich auf vertrautem Terrain, mit vielen der Sprecher hatte ich schon gearbeitet. Unsere Rhiannon Sarah Alles hat wieder sehr intensiv gespielt, aber auch von den Neuengagements war ich sehr angetan: Derya Flechtner als Lisa hinterlässt als beste Freundin der Heldin einen bleibenden Eindruck, genau wie der brummige und undurchsichtige Ranger von Björn Schalla. Im Wortschnitt entstanden dann schon Rhythmus und Tempo der Szenen, und das ist eine Arbeit, die mir immer schon besonders Freude macht.

Wie schwierig ist es, bei einem Hörspiel wie UND AUF ERDEN STILLE die Soundeffekte, die Musik und die Dialoge so aufeinander abzustimmen, dass der Zuhörer ein Bild vor seinem inneren Auge hat und sich in die Charaktere hineinversetzen kann?

Jochim hat als Sounddesigner und Produzent da viel Erfahrung. Ich wusste auch, dass er das spezielle Bild der akustischen Überlastung, der Hyperakusis, darstellen kann, und das nicht nur, weil er das schon einmal für eine frühe Fassung des Stoffes getan hatte. Er und ich arbeiten einfach schon so lange zusammen. Das heißt, dass ich ein wenig darauf achten kann, Szenen so zu schreiben, dass er mit dem Material gut arbeiten kann, und dass er aus Erfahrung weiß, wie ich mir das Ganze wohl klanglich vorstelle. Viel ist eben auch hochwertige Technik: akustisch muss ein Hörspiel den Fokus aufs Wesentliche stets halten, damit die Hörer nicht verlorengehen, aber gleichzeitig die vielen Hörebenen einer Welt so abbilden, dass es authentisch oder zumindest plausibel wirkt. Aus akustisch »staubtrockenen« Dialogen dann mit digitaler Klangbearbeitung, Panorama, Raumtiefe, Musik und Effekten das eigentliche Hörspiel zu bauen, ist Jochims Expertise. Ich habe dann nur noch Feedback gegeben und gelegentlich Änderungen gewünscht.

Wie kann sich der Zuhörer die Regiearbeit bei einem Hörspiel vorstellen? Ist dies vergleichbar mit der Arbeit an einem Film?

Ein wenig schon, auch wenn das fehlende Bild am Set viel Zeit spart, und man sich rein auf die Tonebene konzentrieren darf. Tonmeister und Regisseur sitzen nebeneinander im Regieraum, getrennt durch eine Sichtscheibe vom Sprecherraum. Sie oder er hat einen geschlossenen Kopfhörer auf und spielt die Rolle beim Lesen. Nach einigen Takes gibt es Feedback und Neuaufnahmen, so lange, bis es passt.

Aber die Arbeit mit den »Schausprechern« ist ähnlich wie mit Schauspielern: die Regie sollte in der Lage sein, die emotionale Lage der Charaktere jederzeit gut zu beschreiben und auf Nuancen einzugehen. Profis können mit Anweisungen wie »ich möchte, dass du das so sprichst, als hättest du dich in den letzten Worten deines Gegenübers gerade an deinen toten Bruder erinnert gefühlt« etwas anfangen und spielen das dann auch so.

Die erste Staffel wurde ja bereits im Januar veröffentlicht. Wie viele Staffeln sind geplant und wann kommen die Staffeln in den Handel?

Wir sind gerade an der zweiten Staffel, aber einen festen VÖ-Termin gibt es noch nicht. Wir arbeiten nicht »industriell« non-stop an vielen Hörspielen gleichzeitig, und das hilft uns einerseits, auf eine bestimmte Art Qualität zu achten. Andererseits heißt das aber, dass vier Stunden Hörspielergebnis etwa ein Jahr Arbeit und Vorlauf bedeuten. Die zweite Staffel schließt Rhiannons Geschichte ab, aber in dieser Welt sind weitere Abenteuer möglich.

Was planen Sie für die Zukunft? Wird es noch weitere Hörspiele, vielleicht in einem anderen Genre, geben?

INTERPLANAR ist hauptsächlich für Zukunftsstoffe bekannt. Das ergab sich fast zwangsläufig daraus, dass unsere erste Serie MARK BRANDIS so nachhaltig eingeschlagen hatte. Jetzt ist SF das, was man von uns kennt. Wir können aber auch anders! Also, falls eine Auftraggeberin mit einer Love story, einem Krimi oder einem Fantasyepos an der Hand das hier liest: einfach anrufen! Konkret in der Pipeline ist derzeit nur das bereits fertig aufgenommene Hörspiel DAS NACHTLEBEN DER GÖTTER, für das wir noch einen Vertriebsweg suchen, um es fertig zu produzieren. Das NACHTLEBEN würde ich als »alkoholgetränkte Phantastik« beschreiben. Klingt doch interessant, oder?

Kategorie(n): Allgemein, Presse

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